‚Tough Ladies‘

Sechs intellektuelle Künstlerinnen werden von Deborah Nelson unter die Lupe genommen, um die ihnen gegenüber unternommene patriarchale Fremdwahrnehmung, dass diese innerhalb ihrer angeblich nüchternen Analysen zu wenig empathisch gewesen seien, zu widerlegen. Es sind die Philosophinnen Simone Weil und Hannah Arendt, die Romanautorinnen Mary McCarthy und Joan Dideon, die Ikone der Popkultur Susan Sontag und die Fotografin Diane Airbus. Anhand ihrer Werke werden die Sichtweisen dieser Intellektuellen untersucht. Irritierend beim Lesen ist der überbordende Zugang der Autorin, Quellenverweise von Kritiker:innen heranzuziehen. Hier wären Zitate aus Primärquellen der Intellektuellen für die Deutung überzeugender gewesen. Nach Nelson vereint diese intellektuellen Künstlerinnen ihre scharfe, klarsichtige Beobachtungsgabe gegenüber der spätkapitalistischen Welt, in der sie leben. Ihr ernsthaftes Urteilsvermögen über die Welt ist schonungslos offen und kulturpessimistisch. Es gibt keine Welt ohne Leiden. Wenn den Intellektuellen von außen Unsentimentalität vorgeworfen wird, dann ist offenbar diese Eigenschaft als Stil zu begreifen. Es werden nämlich gerade nicht Gefühle zur Schau gestellt, sondern es wird eine sachliche Auseinandersetzung mit der Not in der Welt geboten. Beeinflusst von den Verwerfungen des Zweiten Weltkriegs wie des Holocaust sind die Denkerinnen darum bemüht, mit ihren Werken weniger explosive kurzfristige Affekte bei den Reziepient:innen zu erzeugen als generell zu vermitteln, dass das Leiden alltäglich ist. Interessant!

ML

Deborah Nelson: Denken ohne Trost. Aus dem amerik. Engl. von Birthe Mühlhof. 240 Seiten, Wagenbach, Berlin 2022 EUR. 22,70