Popkulturelle Zeitreise zu Kolonialismus
In ihrem neuen Roman nimmt Mithu Sanyal die Lesenden wieder mit auf einen unterhaltsamen Identitätsdiskurs. Während in Identitti die eigene Identitätsdefinition stärker im Fokus stand, ist in Antichristie das Umfeld prägender. Der Roman spielt in zwei Londoner Zeitebenen: 2022 und im frühen 20. Jahrhundert. Die Hauptfigur in beiden Zeitebenen ist ident, aber dennoch unterschiedlich: jetzt die fünfzigjährige Durga und damals der junge Sanjeev. Möglich macht dies eine Zeitreise in die Vergangenheit, bei der die Hauptfigur Alter und Geschlecht ändert, ihr Indischsein aber beibehält. Gemeinsam mit Durga – jetzt unter ihren neuen Namen Sanjeev – in den 1900er Jahren angekommen, tauchen die Lesenden tief in den indischen Befreiungskampf gegen das britische Empire ein. Dazu erschafft Sanyal ein unterhaltsames Romansetting rund um reale Orte und Personen, deren reale Biografien sie im Anhang genauer beschreibt. Wie von ihr zu erwarten war, strotzt das Buch vor verdeckten Referenzen auf kulturwissenschaftliche Theorien und historische Ereignisse. Aber auch popkulturelle Verweise – von Doctor Who bis zu Verfilmungen von Agatha Christie – kommen nicht zu kurz. Insgesamt eine lehrreiche Reise ins London des frühen 20. Jahrhunderts.
pepe
Mithu Sanyal: Antichristie. 543 Seiten, Hanser, München 2024 EUR 25,70