Die Einsamkeit in der Zweisamkeit
Milena Michiko Flašar lässt in ihrem Erzählband die Ebenen zwischen Wirklichkeit und Imagination fließend ineinander verlaufen, ständig brodelt es hinter der Fassade. In den Zweier- oder familiären Beziehungen werden deren Brüchigkeit und die unterschiedlichen Wahrnehmungen der Protagonistinnen verhandelt. In „Hawaiian Dreams“ geht es um die Spiegelung einer Frau als Sehnsuchtsobjekt aus einer früheren Zeit, in der das im Mittelpunkt stehende Paar einander noch leidenschaftlich begehrte. Die häusliche Verwahrlosung als Metapher für die Beziehungsentfremdung kann nicht aufgehalten werden. Ein Mann schildert in „Pianopianissimo“ seine oberflächliche Beziehung zu seiner schwangeren Frau, wobei er nicht in der Lage ist, das Rätsel seiner Gefangenschaft zu hinterfragen, weil er sämtliche Hinweise dazu missachtet. Er will lieber weiterhin als angeblicher Glückspilz gelten. Dass die persönliche Wahrnehmung aus zahlreichen blinden Flecken besteht, wird in der Erzählung „Der Hase im Mond“ deutlich. Beziehungen scheitern nicht, weil Menschen tiefere Einblicke in das Wesen des Gegenübers einfordern, sondern weil oberflächliche Alltagsmuster exzessiv weitergelebt werden, ohne die von ihnen ausgehende Gefahr zu durchbrechen. Die Geschichten spielen in Japan, Einsamkeit lässt sich als universelles Phänomen entschlüsseln. Um nicht resignativ zu werden, wäre es schön, wenn Zuversicht in ein reflektierteres Miteinander als Lösung auch Raum erhalten würde. Dennoch ein großes Lob an die Autorin, empfehlenswert!
ML
Milena Michiko Flašar: Der Hase im Mond. 235 Seiten, Wagenbach, Berlin 2025 EUR 24,70
