Abruptes Ende mit offenen Fragen

Im Roman „Dreißig Tage“ werden zunächst eigenartig anmutende Alltagsgeschichten erzählt. Stück für Stück werden spannendere Details dazu eingeflochten. Der Protagonist des Buches wird in vielfältige Sozial- und Beziehungsgefüge involviert. Auch seine eigene Biografie wird bekannt: Er wuchs bei seinem Onkel auf, während seine Mutter ein Diplomatenkind betreute – seine nunmehrige Lebensgefährtin. Sie hatte sich in ihn verliebt, er stieg darauf ein. Gesellschaftspolitische Fragen zu Geschlecht, ethnifizierter und sozialer Zugehörigkeit erscheinen zunächst als beiläufige Nebenplots des Buches, die stetig an Gewicht zulegen. Wie in Charlotte Perkins Gilmans’ Werk „Die gelbe Tapete“ (1892) sind die beschriebenen Innenräume und Außenräume bedeutsam für die Figuren und Charaktere im Roman. Räume, Häuser und Wände können als signifikante Zeichen gelesen werden, als beschützend, handlungsanleitend, offenbarend oder auch verbergend. Das beschriebene Innere und Äußere der Handlungsstränge mündet zuletzt in gewalttätige Formen, die lange nicht absehbar erscheinen. Das abrupte Ende des Buches lässt viele Fragen zur Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft offen. Die Rezensentin hätte sich einen anderen Ausgang gewünscht. Es wird Stoff zum Weiterdenken angeboten, Renovierungen – auch von Gesellschaftsentwürfen – und das Reflektieren der eigenen Lebensmaxime sind inbegriffen. Fazit: Eine Empfehlung.
Gerlinde Mauerer
Annelies Verbeke: Dreißig Tage. Aus dem Niederl. von Andreas Gressmann. 344 Seiten, Residenz Verlag, Salzburg 2019 EUR 22,00