Von Wichteln und Rädertieren

Josepha Mendels schafft es, einen poetischen, oft auch humorvollen Roman über schwierige Themen zu schreiben: Ein Schriftsteller, Frans Winter, muss 1943 als Jude aus den Niederlanden flüchten, seine Frau und die zwei Kinder bleiben zurück, er gelangt nach wechselhaften Ereignissen letztlich nach London, wo er seine Zeit im Exil verbringen möchte, bis er wieder zu seiner Familie zurückkehren kann. Henriëtje Bas, auch aus Holland geflohen, arbeitet in einem Büro in London und hofft ebenso auf eine baldige Rückkehr nach Amsterdam. Der Hyde Park ist der Ort ihres Kennenlernens, London der Rahmen für eine leichtfüßige, teils von den Bleigewichten der Geschlechterrollen befreite, spielerische Liebe auf Zeit, die sich zwischen Henriëtje (Wichtel) und Frans (Rädertier) entspinnt. In Einschüben („Im Fernglas“) erfährt die Leser_in, was erst später passieren wird, nach dem Krieg, nach dem Ende dieser Liebe. Im zweiten Teil des Romans bekommen die belastenden Ereignisse mehr Raum, sei es der Tod von Frans‘ Mutter in Theresienstadt oder die Deportation von Henriëtjes Schwester samt ihrer Familie oder die Widerstände nach dem Ende des Krieges gegen Frans‘ Rückkehr in die Niederlande. Ein berührendes, manchmal auch federleichtes Buch, in dem die 1902 geborene, aus einer orthodoxen jüdischen Familie stammende Autorin spielerisch den Ausstieg aus engen Rollenvorschriften, religiösen Verortungen und tragischen Ereignissen beschreibt.
Helga Widtmann
Josepha Mendels: Du wusstest es doch. Aus dem Niederl. von Marlene Müller-Haas. 184 Seiten, Wagenbach, Berlin 2018 EUR 20,60