Ambivalente Gefühle
1976 lernen sich die beiden zehnjährigen Mädchen Anna und Maria in einer Schule in Athen kennen und werden beste Freundinnen. Anna kommt aus Paris, wo ihr intellektueller Vater lebt, nun lebt sie bei ihrer freakigen Mutter Antigoni. Marias Eltern sind konservativ. Ihr Vater war bei einem multinationalen Ölkonzern in Nigeria tätig. Aufgrund der dortigen sich zuspitzenden gefährlicheren Lebensverhältnisse ist ihre Familie nach Griechenland zurückgekehrt. Schon bald erkennt Maria, aus deren Ich-Perspektive die Geschichte erzählt wird, dass bedingungslose Freundschaft nicht von Machtverhältnissen frei ist. Marias Blick auf ihre Freundin Anna wird zunehmend kritischer. Anna ist aus Marias Sicht im Beziehungsgeflecht die stärkere, sie setzt Maria ständig mit ideologischen kurzfristigen Dogmen unter Druck. Als es um die Erfahrungen der ersten Liebesabenteuer geht, spannt Anna Maria deren Liebhaber aus. Die Lebenswege der beiden Frauen finden trotz ideologischer und örtlicher Trennungen immer wieder zueinander. Die politischen Dialoge über anarchistische und kommunistische Theorie und Praxis hätten zuweilen mit mehr Tiefgang gestaltet werden können. Erstaunlich ist, nachdem Amanda Michalopoulou den Roman bereits 2002 veröffentlicht hat, wie gut sie das politische Klima in Griechenland vor der Finanzkrise 2008 erfasst. Ein spannender Roman mit interessanten Gedanken über Beziehungen und ihre Einflusssphären. Die nicht lineare Erzählweise vermittelt dabei eine authentische Wiedergabe der Gefühle der Ich-Erzählerin. Kurzweilig!
ML
Amanda Michalopoulou: Warum ich meine beste Freundin tötete. Aus dem Griech. von Michaela Prinzinger. 288 Seiten, bahoe books, Wien 2022 EUR 24,00