Ausgewandert
Im Rückblick auf ihre Kindheit in einer ostdeutschen Kleinstadt beschreibt die 1934 geborene Tilli ziemlich genau den Alltag in einer nicht von den Nazis begeisterten, aber aus persönlichen Gründen (ein gehörloser Bruder ist von Sterilisation bedroht) offiziell angepassten Familie. Es treten die typischen Schwierigkeiten auf: Der Vater wird seit seinen Fronturlauben als lästiger Fremdkörper empfunden, das Verhältnis zu FremdarbeiterInnen bleibt ungeklärt, der Neunjährigen fallen soziale Unterschiede auf, ohne befriedigende Erklärungen dafür zu bekommen. Das Mädchen erlebt die Auflösung des Naziregimes und die russische Besatzung des Ortes. Eine Massenvergewaltigung ist der letzte Auslöser, den schon lange gehegten Wunsch, in den Westen zu gehen, umzusetzen. Es gelingt ihr letztlich bei einer Tante in den USA zu landen, beruflich erfolgreich zu werden und zu heiraten. Nach Jahrzehnten kehrt sie als Gast in die alte „Heimat“ zurück und lässt alles wieder lebendig werden.
Das Buch ─ eine Lebensgeschichte wie viele andere ─, den Enkel_innen gewidmet, richtet sich an eine heute junge Generation und ist eine Warnung vor dem Elend, der Not, die Krieg erzeugt.
Maria Weywoda
Tilli Schulze, Lorna Collier: Das Mädchen, das von Freiheit träumte. Aus dem amerik. Engl. von Simone Jacob. 384 Seiten, aufbau Verlag, Berlin 2018 EUR 13,40