Barocke Mondfahrt
Im 2008 gegründeten Wiener Klever Verlag, der sich selbst als „lustvolles Laboratorium für avancierte Gegenwartsliteratur“ präsentiert, erschien die Erzählung „Jackls Mondflug“ von Birgit Schwaner. Am Beginn des Textes steht die Geburt der Hauptfigur Jackl, die „zugleich Über- und Einfall war“ – auch in die Geschichten, die dieses Buch basierend auf der Geschichte des realen Jakob Koller und der Salzburger Zauberer-Jackl-Hexenprozesse im 17. Jahrhundert erzählt, in deren Folge mehr als 150 Personen – meist Kinder – verbrannt wurden. Die erste, die der Hexerei beschuldigt wird, ist Jakobs Mutter Barbara, die unverheiratet und mit Kind bettelnd durch die Lande zieht. Jackl selbst kann fliehen, doch eine Hetzjagd beginnt, in deren Verlauf man anstelle des Gesuchten, der mehr und mehr zum Phantom wird, zahlreiche bettelnde Kinder gefangen nimmt und nach Folter und Schauprozessen auch gleich endgültig loswird. Fakten und Fiktion sind in Schwaners Erzählung genauso wie Geschichte und Gegenwart verwoben und in sprachgewaltigen, geradezu musischen Textstücken konzentriert. Schließlich tritt auch Jakobine auf, Jackls weiblicher Widerpart, ebenso poetisch veranlagt wie von der Idee einer Fahrt zum Mond besessen, auf der Suche nach einem besseren Ort, um Macht und Ohnmacht im Hier zu entfliehen. Kein Lesestoff für Zwischendurch, der schmale Band fordert und verdient ganze Aufmerksamkeit.
Eva Steinheimer
Birgit Schwaner: Jackls Mondflug. 128 Seiten, Klever, Wien 2017 EUR 16,00