Die abwesende Frau

Die Enkelin beschwört das immer abwesende Du ihrer Großmutter und erzählt hierdurch ihre Geschichte. In Auszügen wird so das Leben einer Frau von den 1930ern bis 2008 im frankophonen Kanada nachgezeichnet. Eine Frau, die sich der Künstler_innenbewegung der Automatisten anschließt, Lyrik schreibt, Malerin ist, heiratet, Kinder kriegt und diese verlässt. Das Aufgeben ihrer Kinder zieht sich als schmerzvoller Topos durch das Buch sowie das Leben von Suzanne Meloche.
Suzanne, die nicht bereit ist und vielleicht auch nicht in der Lage ist, die ihr zuge-schriebene Rolle als Mutter und Hausfrau zu erfüllen, entfernt sich großen Schrittes von all diesen Verantwortungen – um nie wieder zurückzuschauen. Die Schicksale ihrer Kinder passieren nun ohne ihr Zutun, während sie schreibt, malt, Teil der Bürgerrechtsbewegung in den USA wird, sich neu verliebt und zwischen all diesen Erlebnissen und Begegnungen verloren geht. Die Geschichte eines radikal geführten, zerbrochenen Lebens, welches sich vehement gegen weiblich zugeschriebene Bilder wehrt, ist zutiefst berührend und erschütternd. Mit Hilfe von Erzählungen, Dokumenten und einer Privatdetektivin recherchiert Anais Barbeau-Lavalette das Leben ihrer Großmutter und präsentiert dieses in intimen Einblicken.
JAW
Anaïs Barbeau- Lavalette: Suzanne. Aus dem Franz. von Anabelle Assaf. 381 Seiten, Eichborn, Köln 2017 EUR 22,70