Die Menschen sind einsame Kakteen

„Die Macht der Worte kennt keine Grenzen, keine Schwachstelle, sie beherrscht die Dinge, die Tatsachen, unsere Vorstellungen und unsere Gefühle. Manchmal dienen Worte auch dazu, das Schweigen hörbar zu machen, es einzufassen wie ein Mäuerchen einen Brunnen.“

Shumona Sinhas Protagonistin, Trisha, kehrt nach vielen Jahren in Frankreich in ihre Heimatstadt Kalkutta zurück, um bei der Einäsche‑ rung ihres Vaters dabei zu sein. Ihre Mutter ist psychisch krank, das Elternhaus verlassen. In den Räumen der Kindheit entspinnt sich ein Netz an Erinnerungen, das die Familiengeschichte und die Kolonialgeschichte Indiens und seine Befreiung sowie die Zeit danach miteinander verbindet. Wie in ihrem erfolgreichen Roman „Erschlagt die Armen“ ist die Sprache bilderreich, wenn auch oft mit zu vielen Metaphern überladen. Manche Geschichten gehen ins Märchenhafte, aber das gehört doch auch zu Indien. Sie schafft eindrucksvolle Stimmungsbilder von Kalkutta und Westbengalen und verwandelt biografisches Erleben in Literatur. Maria Schernthaner

Shumona Sinha: Kalkutta. Aus dem Franz. von Lena Müller. 191 Seiten, Edition Nautilus, Hamburg 2016 EUR 20,50