Die Stoffe, aus denen Wir sich macht

Priya Basils Essay ist ein ausgesprochen tragfähiges Gewebe, gewirkt aus jenen Fäden, die aus Familiengeschichten, persönlichen Erfahrungen, politischem Aktivismus und Lektüreeindrücken gezogen werden. Im ersten Teil „Fight“ sind es „Teilperspektiven“ (Donna Haraway) auf feministische Kämpfe, die immer auch antikapitalistische sind, denn: „Wie können Frauen, die sich als Feministinnen begreifen, die behaupten, kritisch die immer schädlicheren Auswirkungen des Kapitalismus zu beäugen, zur Zusammenarbeit mit Branchen bereit sein, die in so vieler Hinsicht für Sexismus, Rassismus, Ausbeutung und Konsumismus stehen?“ Dieser Frage geht Basil im zweiten Teil „Subjekte der Begierde“ entlang einer persönlich und vielstimmig verarbeiteten Erfahrung nach: Gemeinsam mit 38 anderen Frauen gestaltet sie die Ausgabe einer Modezeitschrift. Obwohl der Gestaltungsprozess ein kollektiver, solidarischer ist, bewegen sich die Frauen innerhalb eines genuin kapitalistischen und sexistischen Rahmens. Die Widersprüche, die sich daraus ergeben, werden nicht glattgebürstet: Sie werden auf allen Ebenen verhandelt und bilden dadurch einen Resonanzraum, in dem Wir sich auf verschiedene Weisen figurieren kann. „Sich von einem Ein-Thema-Kampf (Audre Lorde) definieren zu lassen, bedeutet letztlich Selbstsabotage. Kein einziger Missstand lässt sich zuerst und für sich beheben. Daher wird der Stapel mit Fragen immer größer.“ – Ein Ausdruck der Weigerung, feministische Solidarität auf Teilbereiche zu beschränken.
Eva Schörkhuber
Priya Basil: Im Wir und Jetzt. Feministin werden. Aus dem Engl. von Beatrice Faßbender. 179 Seiten, Suhrkamp Nova, Berlin 2021, EUR 14,40