Die Umlaufbahnen des Lebens

In dem 1980 auf Englisch erschienenen Gesellschaftsroman der australischen Autorin Shirley Hazzard, der nun in deutscher Übersetzung vorliegt, treffen Liebe, Betrug, Mord, der Wunsch nach sozialem Aufstieg und der Kampf der Geschlechter aufeinander. Zu allen Zeiten gibt es eine junge Generation, die voller Leidenschaft Traditionen und alte Ideen infrage stellt. Sie suchen nach Sinn, Liebe, Glück und vor allem nach sich selbst in der sie umgebenden unsteten Welt. Die Hauptcharaktere sind zwei verwaiste Schwestern, die nach dem Zweiten Weltkrieg von Australien nach England fliehen. Ihr Leben, ihre gesellschaftliche und charakterliche Entwicklung wird über einige Jahrzehnte hinweg sehr detailreich verfolgt und dargestellt. Das Buch zeigt am Beispiel der Schwestern, wie sich Frauen unter den jeweils herrschenden gesellschaftlichen Umständen entwickeln können. Die selbstbewusste Caro stellt Traditionen infrage und strebt nach mentaler, körperlicher und finanzieller Unabhängigkeit. Grace hingegen setzt ihre Karten auf eine stabile, traditionelle Familie, in der sie die gesellschaftlich akzeptierte Frauenrolle einnimmt. Diesen Rollen bleiben die Schwestern konsequent treu. Die Geschichte wird von dem Wunsch nach Emanzipation und Selbstverwirklichung getragen. Was vor allem die Handlungsmöglichkeiten von Frauen betrifft, bleibt die Erzählung allerdings sehr skeptisch. So wie der Titel verrät, bleibt wahre Liebe und echte gesellschaftliche Veränderung so selten wie der Transit der Venus.

Verena Schweiger

Shirley Hazzard: Transit der Venus. Aus dem Engl. von Yasemin Dincer. 560 Seiten, Ullstein, Berlin 2017 EUR 26,80