Hohe Erwartungen

Was kann eine über ein im Vorhinein gehyptes Buch, das scheinbar schon überall besprochen wurde, noch sagen? Manch männlicher Rezensent fand ihn zu feministisch oder nur die #MeToo-Bewegung vermarktend, Feministinnen fanden ihn zu beliebig und ungenau im Umgang mit feministischen Bewegungen. Die Geschichte von Greer Kadetzky spricht das Tabu der in Frauenleben allgegenwärtigen sexuellen Belästigungen an, das gerade zu bröckeln beginnt. Die Studienanfängerin Greer macht den Übergriff eines Verbindungsstudenten am College öffentlich, doch der Täter kommt unbehelligt davon. In dieser Phase, in der die Protagonistin sich politisiert, besucht sie auch einen Vortrag von Faith Frank, einer Ikone der Zweiten Frauenbewegung, was ihren weiteren Lebensweg prägen wird. Durch die Verflechtung der Geschichten von Greer und Faith entsteht ein Überblick über einen Strang der Frauenbewegung, der hauptsächlich einen weißen Mittelschichtsfeminismus repräsentiert. Das mag einschränkend und für manche Leser*innen einfach uninteressant sein, auf der anderen Seite fallen mir auch Personen ein, denen ich solch ein Buch gerne schenken würde. Was mich dann wieder zögern lässt, ist der Umstand, dass ich selbst nur sehr schwer in dieses Buch hineingefunden habe. Der Spannungsbogen ist zu schwach, als dass er einen ähnlichen Sog erzeugen würde wie in Wolitzers großartigem Roman „Die Interessanten“. Es bleibt der Nachgeschmack von einem Roman, der an den hohen Erwartungen, die an ihn gestellt werden, scheitert.

ESt

Meg Wolitzer: Das weibliche Prinzip. Aus dem amerik. Engl. von Henning Ahrens. 496 Seiten. Dumont, Köln 2018 EUR 19,20