Ein fast modernes Märchen

Es wurde lange mit Spannung erwartet, Joanne K. Rowlings erstes Kinderbuch seit der Harry-Potter-Reihe. In dieser Hörbuchfassung, im Deutschen großartig gelesen von Heike Makatsch, findet sich nun alles wieder, was man sich von einer der meistgefeierten Geschichtenerzählerinnen erwarten darf. Schlaraffien, das Land in dem alles gut zu sein scheint, und in dem es allen (wirklich allen?) an nichts fehlt, verfällt in Angst. Menschen und Tiere verschwinden, Nahrungsmittel werden knapp, die Macht der oberen Wenigen wächst. Ist wirklich der Ickabog, das sagenumwobene Untier aus dem Norden, zurückgekehrt? Zwei Kinder geraten in den Strudel aus Mythos, Intrigen und Wahrheit, Verrat, Freundschaft und Mut. Rowlings unverkennbare Erzählweise ist auch aus ihrem neuesten Werk nicht wegzudenken. In ihrer Liebe zum Detail verfällt sie jedoch immer wieder der Versuchung von äußeren Merkmalen – schiefe Zähne oder eine etwas beleibtere Figur zum Beispiel – auf Charakterschwächen zu schließen. Die starken weiblichen Figuren und die überraschenden Wendungen lassen dieses Märchen dennoch als eine gute Alternative zu den Brüdern Grimm dastehen. Eine Warnung an jüngere Hörer*innen: Beizeiten geht es düsterer zu, als es das Cover vermuten lässt. Ein durchaus empfehlenswertes Hörvergnügen – wenn man davon absieht, dass derzeit jegliche Art der (finanziellen) Unterstützung Rowlings hinterfragbar ist. Ist sie doch in den letzten Jahren immer wieder mit sehr kontroversen Behauptungen aufgefallen. (ab 8 Jahren)
Agnes Reininger
Joanne K. Rowling: Der Ickabog – ungekürzte Lesung. Aus dem Engl. von Friedrich Pflüger. Sprecherin: Heike Makatsch. Spieldauer: 471 Minuten, Der Hörverlag 2020, EUR 9,99