Ein virtuoses What the fuck?!
Dieses Buch ist für Hartnäckige, denn es interessiert sich scheinbar kaum für seine Leser_innen, die sich der überbordenden Sprache und Erzählung entgegensetzen müssen. Philosophische Essays vermischen sich mit wissenschaftlichen Abhandlungen und literarischen Kunststücken, die die emotionale Welt der Protagonistin auf sperrige und doch poetische Weise beschreiben. Während Nerds versuchen, durch das Internet, Blogs und Hacks die Welt zu verbessern, ist die Ich-Erzählerin, eine Philosophie-Studentin, damit beschäftigt, die Theorie ihres in die Jahre gekommenen Professors zu revolutionieren. Doch ihr Interesse ist kein rein akademisches. Um ihn eifersüchtig zu machen, beginnt sie eine Affäre mit einem seiner Kollegen, der Guerillakämpfer in den 1970er Jahren war. Oloixaracs kritische, wenngleich distanzlose Darstellung der linken Widerstandskämpfer_innen hat in Argentinien 2008 einen Skandal ausgelöst. Parallel zur eigenen Geschichte erzählt die Protagonistin jene von K und Pabst, eine Außenseiter-Romanze. Das schräge Pärchen ist in Galerien und Clubs unterwegs, um soziologische Studien anzustellen. An einem Abend nimmt K zu viel Ketamin, wird auf der Toilette von zwei Männern vergewaltigt, dabei gefilmt und gelangt so zu fragwürdigem Ruhm. Die Figuren sind Monster, die keine Angst vor Sex, Gewalt und der Überheblichkeit der Academia haben oder davor, Normen auf den Kopf zu stellen – und es geht immer auch um Freiheit und Liebe, und was diese denn letztlich ausmacht.
Andreea Zelinka
Pola Oloixarac: Wilde Theorien. Roman. Aus dem argent. Spa. von Matthias Strobel. 250 Seiten, Wagenbach, Berlin 2021 EUR 22,00