Eine ambivalente Heldin

Huismans aus drei Teilen bestehendes literarisches Debut reiht sich in die Tradition der Mütter-Töchter Romane ein. Der erste und der dritte Teil sind autobiografisch. Die Autorin beschreibt, wie unberechenbar die Stimmungsschwankungen ihrer manisch-depressiven Mutter Catherine sind und wie irritierend diese auf ihre Umwelt wirken. Wer ist diese extravagante, cholerische, geltungssüchtige Tänzerin? Um dieses zu klären, wechselt die Autorin im zweiten Teil in die personale Erzählform, um das gesamte Leben Catherines nachzuvollziehen. Ihre verhängnisvolle Kindheit, der sexuelle Missbrauch durch ihren Vater in der Pubertät, die wechselnden Liebschaften, der unglücklich verlaufende Aufstieg in eine höhere soziale Klasse, alles Erfahrungen, die dazu beisteuern, dass ihre Sehnsucht nach Ausgewogenheit unerfüllt bleibt. Das ausschweifende Nachtleben, Türen einrennen, um sich durchzusetzen, lügen, um keinen Gesichtsverlust zu erleben, ständig Achterbahn fahren, alles in allem ein viel zu anstrengendes Leben ohne Rast. Eine aufwühlende Lebensgeschichte, die wenig Entwicklungsmöglichkeiten für die im Mittelpunkt stehende Figur bietet, jedoch darauf verweist, wie bedingungslos die Liebe gegenüber der eigenen Mutter ist. Zuweilen redundant erzählt, wodurch Catherines Ausweglosigkeit an Glaubwürdigkeit gewinnt.
ML
Violaine Huisman: Die Entflohene. Aus dem Franz. von Eva Scharenberg. 253 Seiten, S. Fischer, Frankfurt/M. 2019 EUR 22,70