Eine Jugend in der DDR

Juliane Adler schreibt von staatlicher Überwachung, ans Absurde grenzender Bürokratie und ganz normalem Alltag, vom Eingesperrtsein in einem Land, das sich den
Antifaschismus auf die Fahne geschrieben hat, seinen Bewohner_innen aber sogar minimalste persönliche Freiheiten raubt. Die Prosagedichte spiegeln das alltägliche Leben der Autorin im autoritären System der DDR, erzählen notizenhaft von Kindheit und Jugend, Erziehungsmaßnahmen und Propaganda, staatlicher Verfolgung und zivilem Ungehorsam. Reisen durch die sogenannten Ostblock-Staaten sind ebenso Thema wie die Sackgassen zur Berliner Mauer. Es geht um die Diskrepanz zwischen dem Osten und dem Westen, um ökonomische und soziale Missstände, aber auch um kreative Möglichkeiten des Widerstandes innerhalb der politischen Realität der DDR. In den tagebuch-artigen Momentaufnahmen verdichtet sich die Tragweite des einengenden politischen Systems, und der Leserin wird ein Gefühl dafür vermittelt, was es heißt, wenn sogar banalste Tätigkeiten aufgrund gesetzlicher Regelungen zur Kraftprobe werden. Die Autorin versteht es jedoch, diese Hürden mit Humor zu nehmen, und der Großteil der Gedichte hat eine tragikomische Note. Das Buch, übrigens auch äußerlich sehr schön gestaltet, ist
empfehlenswert für Liebhaberinnen von Gedichten in Alltagssprache und für all jene, die Lust auf eine ebenso kurzweilige wie unkonventionelle Geschichtsstunde haben.
Rebecca Strobl
Juliane Adler: Vergegenwärtigungen. Schwarzenberg Erfurt Ostberlin. 1951 bis 1989. 138 Seiten, fabrik transit, Wien 2017 EUR 9,00