Es ist noch nicht viel erreicht!
Marlene Streeruwitz schreibt unermüdlich gegen die Ungerechtigkeit in der Welt an. So auch in diesen vorgelegten kurzen Essays, wo sie ihren Gedanken über Toleranz und Intoleranz freien Lauf lässt. Auf einem Flug in die USA 2023 sieht sie sich vom eigenen Selbstverständnis als Kommende aus der Superegokatastrophe des Absolutismus. Sie reist in das Land, welches gemäß seiner vormaligen Gründungsüberzeugung für die Gleichheit aller Menschen angetreten ist, das sich nun aber darin übt, Religion wieder vor Vernunft walten zu lassen – oder ist die dortige Intoleranz nur eine Fortschreibung ideologischer Kämpfe? Festgeschriebene Verfassungsbekenntnisse entsprechen nicht den praktischen Ausverhandlungen in der Gesellschaft. Umfragen über die mögliche Abschaffung von Privatschulen in UK weisen darauf hin, dass Führungseliten ihre im Internat erworbene Empathielosigkeit in ihre spätere politische Praxis umsetzen. 2001 bei einem Besuch in der Tretjakow Galerie in Moskau fällt ihr auf, wie abfällig die Reiseführerin über die Oktoberrevolution redet, obgleich die Galerie ein Produkt dieser historischen Phase ist. Sie räumt ein, dass auch in der Sowjetunion zwecks Erreichung des ‚Paradies’ gemordet und getötet wurde. Das Gewicht der Intoleranz überwiegt aus ihrer Sicht historisch, egal wohin ihre Gedanken absschweifen. Nach beschriebenen Gewaltexzessen ist die erlaubte Quintessenz moralisch letztlich wieder von vorn zu beginnen, um zu lernen, tolerant zu sein. Aufrüttelnd!
ML
Marlene Streeruwitz: Gedankenspiele über Toleranz. 48 Seiten, Droschl, Graz/Wien 2023 EUR 12,00