Frau, Fläche, Fenster

Unwillig der Gesichtsausdruck, ein gleichsam gerümpfter Mund, die Nase in Pastellgrün, vier Stück riesiger, dicker Wimpern pro Auge. Ein expressionistisches Selbstporträt aus dem Jahr 1968; da ist Chryseldis Hofer bereits seit zwei Jahren in Wien, studiert Kunst am Schillerplatz. Der Weg war nicht vorgezeichnet, den hat sie, die Landeckerin aus finanziell schlecht ausgestattetem Hause, aus eigener Kraft beschritten. Der Ort ihrer Kindheit, das Gasthaus Andreas Hofer in Landeck, in dem sie aufwuchs und dessen Ärmlichkeit sie als Jugendliche beschämte, bleibt Sehnsuchtsort in ihren Bildern. Ein Haus, so dickmäurig, dass ihr Lebensabschnittspartner Felix Mitterer in einer Erzählung über ihr Leben schreibt: „Als das Mädchen später in Wien wohnt, in einer Wohngemeinschaft, im siebten Stock eines Neubaus, das Bett an der Außenwand, diese so dünn wie Papier, da muss das Mädchen das Bett von der Wand wegstellen, weil es Angst hat, mitsamt dem Bett aus dem Haus zu fallen.“ Große, leuchtende Flächen machen Chryseldis Hofers Bilder aus, dick aufgetragen im besten Farbsinne. Gipfel, auf die etwas Rotes tropft, eine überdimensionierte Blume, ein Bergsee, der ausrinnt, oder ist das ein Gletscher, der erstarrt? Und was fliegt dort hinten? Chryseldis Hofer ließ eine eigenwillige Bildwelt entstehen, die sie, 2017 plötzlich verstorben, der Nachwelt in Tempera, Steindrucken und bunt verglasten Fenstern hinterlassen hat. Eine Gruppe von Menschen, die ihr nahe standen, hat daraus eine feierliche Monografie gemacht.

Lisa Bolyos

Chryseldis – Leben und Werk der Tiroler Künstlerin Chryseldis Hofer-Mitterer (1948–2017). Hg. v. Günther Dankl u. Elio Krivdić. 224 Seiten, Tyrolia, Innsbruck 2019, EUR 34,95