Gastarbajter*in – Rassismus tötet

Semra Ertan starb am 26. Mai 1982 in Hamburg mit 25 Jahren. Sie war in einen Hungerstreik getreten und hatte sich dann öffentlich verbrannt. Sie forderte, „dass Ausländer nicht nur das Recht haben, wie Menschen zu leben, sondern auch das Recht haben, wie Menschen behandelt zu werden.“ Der Presse hatte sie ihr erschütterndes Zeichen gegen zunehmenden Rassismus mit ihrem Gedicht „Mein Name ist Ausländer“ angekündigt. Fünfzehnjährig war sie aus Mersin, Türkei mit ihren Eltern nach Deutschland nachgezogen. Ihren Plan, dort das Gymnasium zu besuchen, musste sie aufgeben, als Gastarbeiterinnenkind landete sie in einer Berufsschule. Danach arbeitete sie als technische Bauzeichnerin, Dolmetscherin, Autorin und Dichterin. Fast 40 Jahre nach ihrem Selbstmord gelang es ihrer Familie den Nachlass von Semra Ertan in einem beeindruckenden zweisprachigen Band zu veröffentlichen: Gedichte, Fotos und einzelne Briefe. Manche der Gedichte wurden bereits von der Autorin in den Sprachen Türkisch und Deutsch verfasst, andere wurden von Familie und Freundinnen übersetzt. Höchstes Lob den gelungenen Übersetzungen! In ihrer Lyrik folgt Semra Ertan dem „freien“ Stil der türkischen Moderne, der im deutschsprachigen Raum vor allem durch die Werke Nazim Hikmets bekannt ist. Die Gedichte sind Plädoyers gegen Ungleichheit, rassistische, sexistische und klassistische Zuschreibungen. Poesie lesenswert auch für all jene, die sich nicht als Poesieliebhaber*innen bezeichnen können.
 Sena Doğan
Semra Ertan: Mein Name ist Ausländer – Benim Adım Yabancı. 238 Seiten, Edition Assemblage. Münster 2020, EUR 18,50