Gerechte Arbeitswelten
Karrierecoach Verena Florian hat mit 50 berufstätigen Personen in Österreich über ihre Erfahrungen mit und Vorstellungen von Geschlechtergerechtigkeit gesprochen. Zahlreiche Zitate unterfüttert sie mit statistischem Datenmaterial, Bezügen zur Frauengeschichte und ordnet sie in Kapitel über Elternbilder, Unabhängigkeit, Lebensentwürfe uvm. Die interviewten Frauen sind alle Führungskräfte der gehobenen (urbanen, implizit weißen) Mittelschicht, deren Männer in Väterkarenz waren. Buchtitel wie auch Cover sind insofern irreleitend, als es nicht um Rollentausch, sondern um das Aufbrechen von Rolleneinschränkungen aufgrund des Geschlechts geht, wozu der Text anhand zahlreicher interessanter Beispiele Mut machen möchte und jedenfalls kann. Leider setzt Florian aber auch ärgerliche Normen, wonach Frauen „authentisch“ (was für „nicht männlich“, „Frau geblieben“ steht) bleiben sollen, queere Personen fungieren als das Andere zur binären Heterosexualität, bei kinderlosen Frauen hat sie das „Gefühl“, dass sie darunter leiden, verpflichtende Väterkarenz ist der „Schlüssel für Gleichberechtigung“ und das größte Hindernis für Frauen ist ihr innerer Schweinehund. Gewalt und Frauenfeindlichkeit existieren in dieser Welt kaum, im Widerspruch dazu werden einige strukturelle Bedingungen zwar benannt, aber als Coachingbuch auf der Basis von Selbstdarstellungen erfolgreicher Frauen liegt der Fokus auf der individuellen Ebene. Insgesamt schreibt Verena Florian sehr verständlich, kurzweilig und ermutigend, ein schöner Begriff sind dabei die „Ermöglicher*innen“ der neuen, besseren Arbeitswelten.
Meike Lauggas
Verena Florian: Mut zum Rollentausch. 50 beruflich erfolgreiche Frauen und Männer in Väterkarenz erzählen. 263 Seiten, Falter Verlag, Wien 2019, EUR 22,90