Himmel und Hölle

Brenda Navarro reflektiert in Leere Häuser das Konzept der Mutterschaft in einer von Machismo geprägten Gesellschaft. Erzählt wird die Geschichte zweier Frauen in Mexiko City. Die erste Frau möchte eigentlich keine Kinder haben, bekommt aber trotzdem welche. Die zweite Frau wünscht sich nichts sehnlicher als Mutter zu werden – es klappt aber nicht. Schließlich entführt die zweite Frau den Sohn der ersten Frau in einem unbeaufsichtigten Moment vom Spielplatz. Der dreijährige Daniel wird zu Leonel. Aus der Ich-Perspektive erzählen beide Frauen abwechselnd von ihren Qualen und Schuldgefühlen, aber auch von der Hoffnung auf Veränderung. Die Mutter Daniels stellt nach seinem Verlust ihr bürgerliches Familienkonzept in Frage: „Vielleicht sind mit ihm auch wir alle verschwunden?“ Bei der Kidnapperin steht der Überlebenskampf im Vordergrund. Sie stammt aus einer sozial benachteiligten Familie. Mit einer eigenen Süßwarenproduktion will sie sich finanzielle Unabhängigkeit verschaffen, um von der tyrannischen Mutter und dem gewalttätigen Geliebten loszukommen. Das erbeutete Kind soll dabei helfen, ihren Traum von einer heilen Welt zu verwirklichen. Das Scheitern ist vorprogrammiert. Der Autorin gelingt es, in ihrem psychologisch raffiniert komponierten Roman die Rollen von Frauen und Müttern grundsätzlich zu hinterfragen.

Ute Fuith

Brenda Navarro: Leere Häuser. 218 Seiten, Lenos Verlag, Basel, 2024 EUR 26,00