Leben ohne Gender
Warum ist Gender so wichtig bzw. wird so wichtig gemacht? Was lässt sich dagegen tun angesichts dessen, welch enorme strukturelle Gewalt damit in Verbindung steht? Ausgehend von diesen Fragen haben Lann Hornscheidt und Lio Oppenländer ein Buch gestaltet, das politische Handlungsmöglichkeiten aufzeigt, um sowohl die eigene Wahrnehmung als auch die soziale Realität dahingehend zu verändern, Gender zu entmachten. Hierfür ziehen sie vielschichtig Literatur heran, berichten selbst, geben Denkanstöße zur Selbstreflexion und fassen zentrale Aussagen in übersichtlichen Kästen zusammen. Gender wird ohne Abgrenzung zu Geschlecht definiert, da Gender grundsätzlich als konstruiert aufgefasst wird. Und nicht „Sexismus“ gilt es zu beenden, sondern Genderismus als „Gewalt- oder Diskriminierungsstrukturen, die aus der Natürlichsetzung von Gender resultieren“. Diese Strukturen würden so lange existieren, so lange die Kategorie Gender nicht an sich hinterfragt, sondern konstant aufgerufen würde – auch in Kritik z. B. an Geschlechterzuschreibungen. Nachdem Sprachhandeln auch ein Handeln ist, geben sie im letzten Teil speziell dazu zahlreiche praktische Tipps, wie ohne Gender kommuniziert werden kann und stellen in Tabellen häufigen Formulierungen ihre Sprachvorschläge gegenüber.
Insgesamt ist der Text niederschwellig gehalten, es wird gut und nachvollziehbar erklärt in einem durchgehend freundlich-liebevollen Ton. „Exit Gender“ ist Programm und Utopie eines Lebens ohne Gender und wird am Klappentext angepriesen als „genderqueeres Sachbuch und praktischer Lebensratgeber“ – was definitiv eingelöst wird.
Meike Lauggas
Lann Hornscheidt, Lio Oppenländer: exit gender. Gender loslassen und strukturelle Gewalt benennen: eigene Wahrnehmung und soziale Realität verändern. 432 Seiten, w_orten & meer, Berlin 2019 EUR 11,40