Menschen mit Gebärmutter
In der patriarchalen, symbolischen Ordnung ist die Sache klar: Frauen können schwanger werden und sollen das auch. In der Realität abseits heteronormativer Normen ist das aber nicht so klar. Antje Schrupp diskutiert in ihrem Essay eine Tatsache, die in der theoretischen Diskussion bisher zu kurz kommt: Das Schwangerwerdenkönnen. Es ist eine körperliche Tätigkeit, die nicht delegierbar ist und „Verantwortlichkeit durch Anwesenheit“ generiert. Gleichzeitig ist Mutterschaft eine soziale Rolle, deren Bedeutung sich verändert hat und sehr wohl delegierbar ist. Die Betrachtung dessen, dass nur Menschen mit Gebärmutter schwanger werden können, zieht eine Diskursebene ein, die ideologisch umkämpfte Themen wie bewusste Kinderlosigkeit, Leihmutterschaft oder Abtreibung in ein neues Licht rückt. Die „enge symbolische Verknüpfung von Schwangerwerdenkönnen und Weiblichkeit“ bringt „Frauen“ unter Druck. Dabei ist Nicht-Schwangerwerden heutzutage genauso Normalität. „Dass der Kampf für ein Verbot von Abtreibungen so vehement geführt wird, … ist nur verständlich, wenn man das Anliegen als symbolisches begreift: Die Fähigkeit, schwanger werden zu können, soll mit Unfreiheit verknüpft bleiben.“ Schrupp plädiert dafür, reproduktive Differenz und Geschlechterdifferenz getrennt voneinander zu betrachten. Das biete nämlich auch einen Ausweg aus dem „symbolischen Teufelskreis“: „Indem die Schwangerschaft in ihrer besonderen Struktur ernst genommen wird, kann gleichzeitig der Unterschied zwischen diesem pränatalen körperlichen Zustand und einem postnatalen sozialen Zustand deutlich werden.“
Gabi Horak
Antje Schrupp: Schwangerwerdenkönnen. Essay über Körper, Geschlecht und Politik. 192 Seiten, Ulrike Helmer Verlag, Roßdorf b. Darmstadt 2019 EUR 17,50