Mit dem Herzen sehen
Eine Frau alleine in der Wildnis: Die promovierte Wildbiologin Catherine Raven zieht in ein kleines Cottage in der Kaltwüste Montanas, umgeben von Maultierhirschen, Dachsen, Füchsen, Pumas, Elstern, Steinadlern, Wühlmäusen und zahlreichen anderen Tieren. Sie unterrichtet online oder leitet als Rangerin Wanderungen für arrivierte Städterinnen. Diese möchten ein bisschen Wildnis erfahren, vor allem die Grausamkeit der Natur, „um so zu tun, als wüssten sie Bescheid“. Die Autorin pflegt wenig menschliche Kontakte: „Leute, die wie ich in unwirtlichen Gegenden Wurzeln schlagen, gehen anderen Menschen nicht deswegen aus dem Weg, weil sie sie nicht mögen, sondern weil sie das lieben, was diese Menschen zerstören. Wilde Dinge. Horizonte.“ Sie analysiert botanische und meteorologische Zusammenhänge, beobachtet das Verhalten einzelner Tier-Individuen und schildert ihre Bemühungen um einen Garten. Mitten in dieses Leben tritt ein kleiner Fuchs, der sie bald täglich zur gleichen Zeit aufsucht. Kolleginnen, denen sie davon erzählt, wittern unzulässigen ‚Anthropomorphismus‘, also das Zugestehen einer Persönlichkeit und Empfindungen. Als ernstzunehmende Wissenschaftlerin hat man keinen persönlichen Bezug zu Wildtieren zu haben, sie sind Datenlieferanten und folgen ihren Instinkten. Catherine Ravens Buch über ihre Fuchs-Freundschaft ist eine blendende Analyse der gestörten Beziehung unserer hochtechnisierten Gesellschaft zur Natur, brillant und teils durchaus komisch. Absolute Empfehlung.
Susa
Catherine Raven: Fuchs und ich. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft. Memoir. Aus dem Engl. von Eva Regul. 416 Seiten, S. Fischer, Frankfurt/M. 2021 EUR 22,70