Pionierinnen des weiblichen Wandels
Ab 1960 fand in Guatemala etwa vier Jahrzehnte lang ein brutaler Völkermord an der indigenen Bevölkerung statt, dem 200.000 Menschen zum Opfer fielen. Die kulturanthropologische Arbeit der Schweizerin Marty beschäftigt sich mit den Spuren und Traumata aus diesem Bürgerkrieg, inwieweit dieser sich bis heute für indigene Frauen auf unterschiedlichen Ebenen fortsetzt, denn gleichzeitig sind diese der Garant für die Erinnerungsarbeit, da sie weiterhin massiver Repression ausgesetzt sind. Anhand von Interviews mit Betroffenen und Recherchen vor Ort werden vier Muster der aktuellen Gewalt aufgezeigt, die gegenüber indigenen Frauen verfolgt werden: Häusliche Gewalt und Vergewaltigungen durch Ehemänner und Verwandte, Femizid und sexuelle Belästigung an öffentlichen Orten, strukturelle und symbolische Gewalt durch die herrschende staatliche Ordnung und Repression und Einschüchterung durch ProtagonistInnen der NRO, die sich teilweise aus personellen Überschneidungen der vormaligen Paramilitärs ergeben. Als wissenschaftliche Grundbausteine verwendet Marty für ihre Analyse der teilneh-menden Beobachtung Bourdieu, Foucault und westliche Feministinnen wie Butler, Haraway oder bell hooks. Auch einheimische historische Quellen finden sich wieder. Marty ist sich ihrer eingeschränkten Rolle als Forscherin bewusst. Vielleicht schafft sie es gerade deswegen, das Vertrauen der indigenen Frauen im Gespräch zu gewinnen, um die sexistische gesellschaftliche Unterdrückung herauszuarbeiten. Eine eindrucksvolle Feldforschung, interessante Anregungen für Forscher_innen.
ML
Samira Marty: Das weibliche Gesicht des Widerstands – Der Kampf indigener Aktivistinnen gegen Unterdrückung und Gewalt in Guatemala. 176 Seiten, Promedia, Wien 2017 EUR 20,00