Progressive Perspektiven aus der Vergangenheit
Ausgehend von den Texten der feministischen Autorin Alexandra Kollontai (1872-1952) beschäftigt sich „Utopie und Feminismus“ mit den politischen Dimensionen von Körper, Liebe und Sexualität und analysiert die Geschlechter- und Familienpolitik der Revolutionärin für die Gegenwart. Beim Lesen der Texte von Alexandra Kollontai ist gar nicht vorstellbar, dass Homosexualität und deren Propagierung in der Gegenwart in Russland unter Strafe steht.
Alexandra Kollontai ist eine höchst ambivalente Persönlichkeit. Sie war in Russland Volkskommissarin für soziale Fürsorge in den Revolutionsjahren 1917/18. Später wurde sie zur weltweit ersten Ministerin. Nach innerparteilichen Konflikten ging Kollontai ins Ausland und wurde als erste Frau der Welt Diplomatin. Kollontai gilt bis heute als eine Vordenkerin des Feminismus, jedoch ist ihre Person nicht frei von Widersprüchlichkeiten. Ihr wird immer wieder die Nähe zu Stalin vorgeworfen. Neben Originaltexten von Kollontai findet auch die gegenwärtige Rezeption ihrer politischen Handlungen Eingang. Neben einem Gedicht, einer Kurzgeschichte und zwei Mitschriften von Gesprächen über Kollontai durchzieht eine Bildstrecke die abwechslungsreiche Schrift. Wer oder was hinter dieser Bildstrecke steckt, kann im Buch, das Bestandteil jeder feministischen Bibliothek sein sollte, nachgelesen werden.
Ines Schnell
Annemie Vanackere, Sarah Reimann: Utopie und Feminismus – 100 Jahre Gegenwart mit Alexandra Kollontai. 192 Seiten, Matthes & Seitz, Berlin 2018 EUR 18,50