Ruf des Lebens

Eingebettet ins Berlin der späten 20er Jahre setzt Linda Winterberg im Band 2 ihrer Hebammensaga die Erzählung von den Lebenswegen dreier junger Frauen fort. Dabei rückt sie ihre Protagonistinnen, deren Eigenständigkeit und Freundinnenschaft samt Herausforderungen in den Vordergrund. Die Atmosphäre ist geprägt von der Weltwirtschaftskrise: Arbeitslosigkeit, Armut und Hunger sind allgegenwärtig. Die Freundinnen sind gefordert, die ihnen anvertrauten Schwangeren gut zu versorgen. Ebenso thematisiert die Autorin ungewollte Schwangerschaften, Abtreibung, Syphilis und das Umsichgreifen des Nationalsozialismus. Mit viel direkter Rede gewährt die Autorin Einblicke in die Charaktere, bleibt allerdings häufig an der Oberfläche, und die Unterschiede der Freundinnen kommen nicht klar heraus. In zahlreichen Szenen aus dem Arbeitsalltag der Hebammen, im Krankenhaus und in Beratungsstellen zeichnet sie in leicht lesbarem, belletristischem Stil ein Bild dieser Zeit. Verweise auf die meist kurzen Haarschnitte und Kleidung emanzipierter Frauen und Beschreibungen von Nachtclubs – leider aber ohne genaue Angaben zur Musik, die der ganzen Szenerie mehr Leben einhauchen könnten – ergänzen das Setting.

Susa

Linda Winterberg: Jahre der Veränderung. 400 Seiten, aufbau Verlag, Berlin 2020 EUR 13,40