Schreiben im Exil

Doris Hermann wendet sich einem Thema zu, über das bis dato zu wenig aufgeklärt wurde: deutschsprachige, oft jüdische, Schriftstellerinnen, die wegen ihrer Verfolgung durch den Nationalsozialismus im 2. Weltkrieg ins britische Exil flüchten mussten. Diese Frauen wurden und werden oft von der Literaturwissenschaft ausgeklammert. Gabriele Tergit, Annette Eick, Charlotte Wolff, Elisabeth Janstein, Veza Canetti, Hilde Spiel und viele weitere Exiliantinnen erlangen durch die Autorin mehr Aufmerksamkeit, indem ihre Lebens- und Schaffensgeschichten umrissen werden. In manchen Fällen der Schriftsteller:innen findet ihre literarische Produktion noch in ihrem Herkunftsland statt, in anderen Fällen beginnt sie erst in Großbritannien. Leser:innen werden über die Gesellschaft und die sozialen Vernetzungen der nach Großbritannien geflüchteten Autorinnen zwischen 1933 und 1945 informiert. Es werden die Schwierigkeiten, von einem anderen Land aufgenommen zu werden, eine neue Sprache zu erlernen, Geld zu verdienen, die Einschränkungen, Texte zu veröffentlichen und das Gefühl, eine Außenseiterin zu sein, von ihnen thematisiert. Dabei wirft Hermann einen feministischen Blick auf die Exilpresse, wie die Die Zeit, die vorwiegend von männlichen Reportern dominiert wurde, während Frauen kaum bis gar nicht oder nur auf der ‚Frauenseite‘ publizieren durften. Die Autorin schlägt einen Bogen zum aktuellen Geschehen und fordert mehr Recherchearbeit zu schreibenden Exilantinnen. Außerdem wünscht sie sich mehr Beachtung für deren Werke, indem beispielsweise die Auflagenzahl für deren Werke erhöht wird. Hermann bietet einen guten Überblick beziehungsweise fundierte Einblicke in dieses Nischenthema.

Lilia Holder

Doris Hermanns: „Und alles ist hier fremd“. Deutschsprachige Schriftstellerinnen im britischen Exil. 237 Seiten, AvivA Verlag, Berlin 2022 EUR 22,70