Sorgearbeit und Geschlecht

Lisa Y. Hallers Buch reiht sich in eine erfreuliche Entwicklung ein, die in der Geschlechterforschung zu beobachten ist: Seit einiger Zeit erscheinen wieder mehr Publikationen, die Geschlechterfragen in Bezug zu und vor dem Hintergrund der politischen Ökonomie diskutieren. Welcher Zusammenhang besteht eigentlich, so die von Haller für Deutschland aufgeworfene Frage, zwischen staatlichen Familienleistungen (z.B. Kindergeld oder steuerliche Freibeträge) und der Arbeitsteilung nach Geschlecht, für die sich junge Paare heute bei Familiengründung entscheiden? Spannend ist diese Frage deshalb, weil staatliche Bemühungen um den Ausgleich von ‚ Verdienstausfäll en‘ zwar geschlechtsneutral formuliert sind und manchen als Türöffner der Gleichberechtigung erscheinen mögen – an traditionellen Zuständigkeiten allerdings nichts verändern. Insofern erinnert die Situation der Mütter, mit denen Haller gesprochen hat, an Gabriele Dietzes Befund, Frauen in westlichen Gesellschaften wären heute vor allem ‚Emanzipationsdarstellerinnen‘ – so sehr ihre (Wahl)Freiheit auch gefeiert wird. Weil Haller den Blick beharrlich auf die spätkapitalistische Logik richtet, in die Geschlechterverhältnisse eingelassen sind, wird einer der wichtigsten Gründe für diese doppelbödige Situation sehr deutlich: Es ist sicherlich keine ‚Vereinbarkeitsproblematik‘, die die Geschlechter heute quält, sondern vielmehr die Tatsache, dass Sorgearbeit ein inhärentes, ein letztlich unlösbares Problem für die Verwertungslogik des Kapitalismus darstellt.
Barbara Grubner
Lisa Yashodhara Haller: Elternschaft im Kapitalismus. Staatliche Einflussfaktoren auf die Arbeitsteilung junger Eltern, 251 Seiten, Campus, Frankfurt/ M.- New York 2018 EUR 41,10