Sprachliche Sorgfalt

Zum hundertsten Geburtstag von Ilse Aichinger im Jahr 2021 wurde die Autorin und Künsterlin Teresa Präauer von der Stadt Wien eingeladen, eine Festrede über diese zu halten. Teresa Präauer tastet sich feinfühlig an die Biografie Aichingers heran, indem sie persönliche Daten Aichingers von deren Tod 2016 zurück in deren Kindheit verfolgt. Sie startet mit dem Cafe Jelinek im sechsten Bezirk von Wien, wo Präauer als junge Künstlerin einige Male die wesentlich ältere Aichinger beobachten konnte. Sie weist darauf hin, welche Texte von Aichinger sie bei der eigenen literarischen Entwicklung enorm inspiriert haben. Die Jahresdaten, die Präauer zur Rekonstruktion von Aichingers Biografie wählt, sind verbunden mit der ersten Veröffentlichung von deren Texten oder Unglücksfällen, Todesfällen wichtiger Bezugspersonen. Die Verarbeitung als Erinnern in den eigenen Texten ist für Aichinger wichtig. Geprägt wird Aichinger durch die Jahre des Nationalsozialismus. Als Halbjüdin versteckt sie von 1942–1945 ihre Mutter. Ihre Großmutter und deren Geschwister werden im Vernichtungslager Maly Trostinez ermordet. Sensibel bringt Präauer auf den Punkt, was Aichinger bei ihrer literarischen Arbeit betont hat, dass es die Pausen sind, die wesentlich sind, denn die zahlreichen ungeschriebenen Sätze ermöglichen erst den geschriebenen poetischen Satz, der eine konzise, dichte Formulierung beinhaltet. Ein von Präauer gewählter Auszug aus Aichingers Roman „Die größere Hoffnung“ offenbart diese große Qualität ­Aichingers durch das Stilmittel der Verknappung.
Antonia Laudon
Teresa Präauer: Über Ilse Aichinger. Vorwort von Julia Danielczyk. 92 Seiten, Mandelbaum, Wien 2021 EUR 12,00