Stand-by

Maja Lunde beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit den Auswirkungen des Klimawandels und zeichnet in ihren Romanen komplexe, düstere, wenn auch nicht unwahrscheinliche Zukunftsszenarien. Ihre Bücher vermitteln Wissen und Zusammenhänge auf literarischem Weg und sind nicht umsonst Bestseller. Doch wie ergeht es einer Autorin von dystopischen Romanen angesichts einer unmittelbaren Krise? Die Ereignisse im März 2020 – Ausbreitung von Covid-19 in Europa und „Lockdown“ von weiten Bereichen des täglichen Lebens – trafen Menschen, die es gewöhnt sind, vor bedrohlichen Szenarien nicht die Augen zu verschließen, sondern die Konsequenzen auf besondere Art und Weise weiterzudenken. Die Autorin lässt uns in einer Art Tagebuch teilhaben an ihren Erlebnissen und Gedanken. Die Aufzeichnungen reichen über weniger als drei Wochen, beinhalten jedoch sämtliche Facetten von Angst, Besorgnis, Ungewissheit und Hoffnung, die uns mittlerweile schon über ein Jahr lang begleiten. Während die oft assoziativen Fragmente einiges auf den Punkt bringen, was wohl viele gefühlt oder erlebt haben, irritiert die Konzentration dieser Betrachtungen in den ersten Wochen der Pandemie. Handelt es sich um authentische Aufzeichnungen oder eine literarische Bearbeitung? Beides hat seine Berechtigung, aber die Leser:in, ebenso Zeug:in dieser Ereignisse, erinnert sich oft anders. Dennoch hält das Buch fest, was im oder ab März 2020 so plötzlich so anders war, und ist vielleicht in zehn Jahren wichtiger als heute.
 Eva Steinheimer
Maja Lunde: Als die Welt stehen blieb. Aus dem Norw. von Ursel Allenstein. 223 Seiten, btb, München 2020, EUR 16,50