Tipptopp ist nicht alles! 

Der Debütroman von Anne Kanis ist eine sprachliche Reise durch die Vergangenheit und Gegenwart der Ich-Erzählerin vor und nach der Wende in Berlin. Es geht der Autorin weniger um konkrete historische Fakten, sondern darum, wie sich das eine System gegenüber dem anderen anfühlt, indem sie Erinnerungen vermittelt, Beobachtungen und Stimmungen mitteilt. Beim Mauerfall ist die Ich-Erzählerin etwa zehn Jahre alt und hat bis dahin eine relativ unbeschwerte Kindheit durchlebt, wenn von den letzten Monaten vor der Wende abgesehen wird. Ihre Eltern hatten sich in dieser Zeit aktiv an Protesten beteiligt. Nach der Wende wird der Vater, der als Konzertgeiger tätig war, arbeitslos und lebt von Gelegenheitsjobs und schließlich von einer mageren Rente. Sie selbst wird nach abgeschlossener Schule und Gesangsausbildung prekarisierte Kantinenaushilfskraft und lässt sich von ihrer Agentin Kraunberg Gesangsauftritte auf zweitklassigen Festivitäten vermitteln. Daneben geht es um Beziehungen zu reichen oder armen Männern. Der Roman zeichnet sich durch eine lebendige, heitere Sprache aus. „Haben oder Haben sollen“ wird als Ballast verworfen, um das Herz für die Romantik frei zu halten. Das klingt und ist bezaubernd, auch wenn es idealistisch ist. ML

Anne Kanis: Nichts als ein Garten. Roman. 208 Seiten, Metrolit, Berlin 2015 EUR  20,60