Unverschämt jüdisch

Fast alle Texte sind im Kontext von Literaturpreisverleihungen entstanden: Max-Frisch-Preis 2011 in Zürich, Ricarda-Huch-Preis 2015 in Darmstadt, Bremer Literaturpreis 2020, um nur einige zu nennen. Die Entgegennahme von Preisen ist an einen Ort gebunden, an dem die Namensgeber:innen gewirkt haben, wo eine Stiftung ansässig ist, oder es ist ein Ort mit symbolischer Bedeutung. Anlässlich der Verleihung des Elisabeth-Langgässer-Preises 2012 in Alzey stellt die Autorin Langgässer und Edith Stein, die beide zum Katholizismus konvertiert sind, in ihren Haltungen gegenüber: die zehn Jahre ältere Stein war offensichtlich eine viel intellektuellere Frau mit atheistischen Anschauungen und feministischem Engagement, während Langgässer in Frauenfragen besonders konservativ blieb, mit Idealen wie Mütterlichkeit und Häuslichkeit. Honigmann thematisiert in den Texten das Reisen: Max Frischs Reise 1947 nach Deutschland, aber auch ihre eigene Reise nach New York zum Koret Jewish Book Award, indem sie Gespräche mit ihrem Sitznachbarn im Flugzeug beschreibt und gelangt zur Frage: ‚Worüber reden eigentlich Gojim?‘ Sie beschreibt das Aufwachsen in der DDR – ihre Eltern waren nach 1945 aus dem Exil in die DDR zurückgekehrt und definierten sich mehr als Kommunisten, denn als Juden – das Lesen existentialistischer Texte als 14jährige und die Flucht 1984 aus der DDR. Die Dramaturgin, Regisseurin und Autorin setzt sich eingehend mit dem eigenen jüdischen Glauben auseinander und fand selbst zu einer orthodox-jüdischen Lebensweise. Ein sehr persönliches und humorvolles Buch.

Petra M. Springer

Barbara Honigmann: Unverschämt jüdisch. 160 Seiten, Carl Hanser Verlag, München, 2021. EUR 20,60