Verhalten und Geschlechtergerechtigkeit
Das vorliegende Buch der Harvard-Professorin ermöglicht einen eindrücklichen Einblick in das Feld der Verhaltensökonomie und ihrer Prämissen. Angewandter Bereich ist hier die Geschlechtergerechtigkeit, zu der Bohnet überzeugend und effizient beitragen will. Erfreulicher Ausgangspunkt ist die Annahme, dass dafür nicht Frauen ihr Verhalten, sondern dass sich die Verhältnisse ändern müssen. Solcherart Strukturkritik sieht aus verhaltensökonomischer Perspektive dann allerdings so aus: Menschen in Uganda, Malaysien oder den USA werden in Laborsituationen mit irgendwelchen unkomplexen Aufgaben konfrontiert, die in den meisten Fällen nichts mit Geschlecht als Kategorie zu tun haben. Ihr Verhalten wird beobachtet, dann wird experimentiert, wie es sich bei veränderter Aufgabenstellung anpasst und dies wird in messbare Zahlen und Daten übersetzt. Aus diesen werden schließlich generelle Schlüsse gezogen, die kontext- und kulturabhängig in universalistischer, „naturwissenschaftlicher“ Weise über menschliches Handeln Auskunft geben. Die daraus abgeleiteten Maßnahmen zielen auf gesteuerte Verhaltensänderung von Personen, losgelöst davon, was sie selbst für Werte haben, woran sie glauben oder was ihnen wichtig ist. Die Grenze zur Manipulation ist bei diesem Vorgehen – bei aller guten Intention zu mehr Geschlechtergerechtigkeit – nicht klar zu erkennen. Bohnet schränkt zwar ein, dass Verhaltensdesign nicht ein Mittel zur Lösung aller Fragen ist, als antidiskriminatorischer Zugang ist es aber trotz positiver Einzelergebnisse zumeist auch nicht überzeugend.
Meike Lauggas
Iris Bohnet: What works. Wie Verhaltensdesign die Gleichstellung revolutionieren kann. Aus dem Engl. von Ursel Schäfer. 382 Seiten, Verlag C. H. Beck, München 2017 EUR 27,80