Wer bekommt das Millionenerbe?

Die argentinische Schriftstellerin Enrietta ist tot, gestorben in der Schweiz. Das Testament nennt den konservativen Emilio, den Besitzer einer Klinik für Plastische Chirurgie in Buenos Aires, der für die Verstorbene vor langer Zeit fast so etwas wie ein Sohn war und die schöne Jana, die einst erfolgreiche Schauspielerin und späte Ziehtochter der Autorin. Wäre das nicht eine treffliche Gelegenheit für eine delikate Affäre zwischen den vom Schicksal Begünstigten? Doch da taucht plötzlich Armando auf, der ungeliebte Sohn Enriettas, mangels Mutterliebe natürlich auf die schiefe Bahn geraten, und siehe da, der Latino-Gangster entzündet in Janas weichem Herz ein leidenschaftliches Feuer. Die Liebesgeschichte wird von Emilios Misstrauen und Eifersucht umrahmt, zu guter Letzt ist die Aufregung umsonst, denn der geläuterte Armando ist durch das Erbe längst zu unerhörtem Wohlstand gelangt und damit salonfähig geworden. Leserinnen, die es nach einem literarischen Ausflug in die kleingeistige und sorgenfreie Welt der Reichen und Schönen gelüstet, mit Gesprächen ohne Tiefgang in gehobener Sprache, werden begeistert sein. Mögen sie über die Klischees hinwegsehen, die den ansonsten geschliffen ähnlichen Charakteren ein wenig Leben einhauchen: Die Männer sind Opfer der narzisstischen Mutter, und Machos weil Südländer. Die Frau hingegen ist ein sanftes Reh, gebildet, reflektiert und einfühlsam, in jeder Hinsicht überlegen, wäre da nicht die Liebe.
 Dunja Chinchilla
Sylvia Madsack: Enriettas Vermächtnis. 284 Seiten, Pendragon, Bielefeld 2021, EUR 24,70