Wer ist Julie Leyroux?
Flora S. Mahler entführt die Leser:innen in die Wiener Kunstwelt – an die Akademie der Bildenden Künste am Schillerplatz, in die Galerie Zimmer, Küche, Bad in Arkadien von Ann und ins MUMOK. Hauptprotagonistin ist die Künstlerin Julie Leyroux, die alle in ihren Bann zieht: sie ist rätselhaft, charismatisch und queer. Sie scheint stets umgeben von weiblichen Geliebten und Bewunderern. Mahler entwarf eine sehr authentische Biografie einer fast nicht greifbaren Kunstfigur, und dann doch so greifbar, dass möglicherweise gegoogelt wird, ob es diese Person in Wirklichkeit gibt. Aus drei individuellen Blickpunkten wird die Geschichte der feministischen Konzept- und Performancekünstlerin nachgezeichnet: Mona, wie Julie Studentin an der Akademie, Ann, die Galeristin, und der Pariser Philosophieprofessor Robert, der Halbbruder von Julie. Bereits früh erregte die Künstlerin Aufsehen, als sie beispielsweise ein Bild aus der Sammlung ihres Vaters mit ihrer Freundin Wie-Ping übermalte und unter dem Titel „Hiding Warhol’s Mao behind a layer of black covered with pink and green dots executed by the daughter of a collector as a feminist counterculture-revolutionary act” ausstellte – eine Arbeit, die später für mehr als drei Millionen bei Sotheby’s versteigert wird. Als Julie keine Kunst mehr machen und nicht mehr ausstellen will, bleibt das MUMOK leer und alle Menschen werden eingeladen, sich diese Räume anzueignen. Der Roman hinterfragt den Kunstmarkt und hält der Gesellschaft immer wieder einen Spiegel vor. Ein sehr gelungenes, literarisch hochwertiges Erstlingswerk der Autorin.
Petra M. Springer
Flora S. Mahler: Julie Leyroux. 240 Seiten, Müry Salzmann, Salzburg/Wien, 2021 EUR 24,00