Working Poor

Die Autorin, selbst Gewerkschaftsfunktionärin der GPA-djp, stellt Arbeits- und Lebensgeschichten von neun Menschen vor, die gezwungen sind, ihre Arbeitskraft und Lebenszeit in Österreich in „atypischen Arbeitsverhältnissen“ zu verkaufen. Sie arbeiten nicht in sozialversicherten Vollzeitanstellungsverhältnissen – die im Postfordismus immer weniger die Norm sind -, sondern sind Leiharbeiter*innen, Praktikant*innen, neue Selbständige, Teilzeitangestellte – teilweise mit mehreren Jobs, freie Dienstnehmer*innen, Werkvertragsnehmer*innen und Werktätige in allen vorstellbaren Mischverhältnissen. Die Arbeitgeber*innen sind durchaus auch staatliche Stellen, wie Ministerien, Magistrate, Universitäten, Tochtergesellschaften der Post, Erwachsenenbildungsinstitute der Sozialdemokratie wie bfi und VHS. Alles das sind Arbeitsverhältnisse, für die Betriebsrät*innen keine Vertretungs-/Handlungsoption haben.
Der Bezugspunkt für die Unterscheidung in prekäre und nicht prekäre Arbeitsverhältnisse ist Europa. Schade, dass das nirgendwo ausgewiesen ist. Der Epilog ist ein Plädoyer gegen neoliberale Reformmaßnahmen der Regierungen mit ÖVP-Dominanz, die die Arbeitenden ein Stück weit enteignen und ein Aufruf, sich zu wehren, nicht individuell als Einzelkämpfer*in, sondern in einer Organisation – der Gewerkschaft. Der Doppelcharakter von Gewerkschaft – einerseits Kampforganisation der Arbeitenden, andererseits Friedensgarant für Unternehmen, bleibt unerwähnt. Ein mutiges Buch – das zugleich Zeugnis davon ablegt, wie anstrengend es ist, innerhalb des gewerkschaftlichen Rahmens zu agieren!
Irritierend für die Leserin ist, dass das äußerst ansehnliche Layout vorgibt, welche Stellen wichtig sind, und dass die sicherlich mit viel Mühe recherchierten Statistiken, gelb auf schwarz, schlecht zu lesen sind.
Sena Dogan
Veronika Bohrn Mena: Die neue ArbeiterInnenklasse. Menschen in prekären Verhältnissen. 204 Seiten, ÖGB Verlag, Wien 2018
EUR 19,90