Worte, die sich einschleichen

Ellen setzt ein Gegenstück zur destruktiven Macht ihrer Gedanken und zur Angst vor physischer Gewalt: sie schweigt. Nach der Trennung der Eltern und dem Tod des Vaters, der gewalttätig geworden war und dessen Tod Ellen so oft herbeigewünscht hat, zieht sich die Elfjährige in eine innere Emigration zurück. In klarer Sprache, mit genauer Beobachtung und lakonisch kurzen Sätzen lässt Linda Boström Knausgård eine Welt erstehen, die geprägt ist von Kälte und Dunkelheit, aber auch Sehnsucht und sonnigen Tagen am Meer. Im Rückblick skizziert sie die Stimmungsschwankungen des Vaters, seine Hochs und Tiefs und kontrastiert sie mit der dominanten Inszenierung von Lebensgenuss der Mutter und deren Liebschaften. Ellen kostet ihre Macht des Rückzugs aus, sie nimmt sich immer weiter zurück und betet schließlich, zu verschwinden: „Immer dieselbe Frage, wenn es um Menschen ging. Wessen Wille war stärker als der des anderen?“ Boström Knausgårds kurzer Roman verbindet nackte Beobachtungen mit der magischen Selbstverständlichkeit einer Elfjährigen und schafft ein intensives Kammerspiel einer Familie, die hell sein möchte und doch von scharfen, dunklen Klüften gezeichnet ist.

Susa

Linda Boström Knausgård: Willkommen in Amerika. Aus dem Schwed. von Verena Reichel. 144 Seiten, Schöffling & Co., Frankfurt/M. 2017 EUR 18,60