Zwischen Industrie­schnee und saurer Luft

Am Rande des Industriegebiets einer deutschen Großstadt durchlebt die Erzählerin des Romans ihre Kindheits- und Jugendjahre. Schon früh bekommt sie die Vorurteile zu spüren, die ihr als Tochter eines Fabriksarbeiters und einer aus der Türkei stammenden Mutter entgegengebracht werden. Zwischen dem Druck, sich unbedingt anpassen zu wollen und dem Gefühl, dabei ohnehin nur versagen zu können, kämpft sie sich durch das Bildungssystem. Dabei lässt sie das Gefühl nicht los, fehl am Platz zu sein, während ihre Freund_innen die für sie vorgezeichneten Wege scheinbar mühelos beschreiten können. Der Roman handelt von den feinen Unterschieden in unserer Gesellschaft, von subtilem und offenem Klassismus und Rassismus, und dabei auch einfach von einer Generation, die in den 90er Jahren in Westdeutschlad aufwuchs. In kürzeren und längeren Episoden erfährt die Leserin von jenen Erlebnissen der Protagonistin, die in ihr Schamgefühle und Ängste verursacht haben, sowie von ihren Bemühungen, sich davon zu befreien. In trockenem Stil erzählt, schafft es die Autorin gekonnt, die Atmosphären vom verrauchten Zuhause über das stickige Klassenzimmer bis zum prototypischen westdeutschen Hobbykeller einzufangen, wobei Umgebung und Gerüche dabei förmlich spürbar werden. Ein notwendiges Buch über die immer noch existenten Ungleichheiten unserer Gesellschaft und die manchmal schwer greifbaren Mechanismen, die diese verursachen. Empfehlung!

ReS

Deniz Ohde: Streulicht. 285 Seiten, Suhrkamp, Berlin 2020. EUR 22,70