„Asozial“

Die Autorinnen fassen den Forschungsstand einer bis Anfang der 1990er Jahre vernachlässigten Opfergruppe des Nationalsozialismus kompakt zusammen, und zwar der als „asozial“ verfolgten Frauen. Die ungenaue begriffliche Definition von „asozial“ im Nationalsozialismus ermöglichte eine zielgerichtete Verfolgung all jener, die nicht in die herrschende Ideologie passten. Es wird dabei die Rolle der Behörden, der Fürsorge oder Arbeitsämter erläutert. Der räumliche Schwerpunkt liegt auf den Arbeitserziehungslagern in Wien und Niederösterreich (den Reichsgauen Wien und Niederdonau), insbesondere der „Arbeitsanstalt Am Steinhof“ und der „Arbeitsanstalt Klosterneuburg“, wobei der Alltag in den Institutionen und die Gewalt, die die Opfer erfuhren, beschrieben werden. Dem unmittelbar dem Frauen-KZ Ravensbrück benachbarten „Jugendschutzlager“ Uckermark ist ein weiteres Kapitel gewidmet und den jungen Frauen, die von Wien aus in die Uckermark deportiert wurden. Das Kapitel zu „Kontinuitäten“ zeigt die beharrliche Stigmatisierung der Opfer nach 1945, die lange mit einer Relativierung und Nicht-Anerkennung der erlittenen Verfolgung konfrontiert waren.
Leider wird mit diesem Buch keine Forschungslücke geschlossen, indem mittlerweile einsehbare Archivmaterialien wie die sog. „Gauakten“ analysiert würden, sondern es wird eine Zusammenfassung der bereits vorliegenden Ergebnisse aus den 1990er Jahren geliefert. Die Publikation trägt aber dazu bei, dass die Opfer nicht vergessen werden.
Angela Mayer
„Arbeitsscheu und moralisch verkommen“ Verfolgung von Frauen als „Asoziale“ im Nationalsozialismus. Hg. von Helga Amesberger, Brigitte Halbmayr und Elke Rajal. 378 Seiten, Mandelbaum, Wien 2019
EUR 28,00