Erforschung der Wirklichkeit

Die 1884 in Wien geborene Else ­Feldmann war eine unermüdliche Zeitzeugin der sozialen Verwerfungen ihrer Zeit. Mit ihrer Themenwahl setzte ­Feldmann neue Maßstäbe, indem sie beispielsweise die Marginalisierung von Frauen, Kindern und Jüd:innen aufgreift und deren Einsamkeit, Lebensnot, den Hunger sowie ihre Elendsquartiere schildert. ­Feldmann beschreibt die Lebenswirklichkeit der Menschen am gesellschaftlichen Rand. Ihre Sozialreportagen bewegen sich nicht nur im Grenzfeld zwischen Literatur und Geschichtsschreibung, sondern auch in dem zwischen Literatur und Journalismus. Trotz ihrer vielfältigen Veröffentlichungen lebte Else ­Feldmann meist in prekären Verhältnissen. 1934 verlor sie zudem ihre wichtigsten Publikationsmöglichkeiten. Vier Jahre später musste sie ihre Wohnung zwangsweise räumen. Am 14. Juni 1942 wurde sie von der ­Gestapo abgeholt, ins Vernichtungslager ­Sobibor abtransportiert und dort ermordet. Elisabeth Debazi erschließt mit ihrem Buch die bis dato erhalten gebliebenen Schriften einer zu Unrecht vergessenen jüdischen Autorin und ordnet sie erstmals literaturwissenschaftlich ein.
Ute Fuith
Elisabeth H. Debazi: Else ­Feldmann: Schreiben vom Rand. Journalistin und Schriftstellerin im Wien der Zwischenkiegszeit. 305 Seiten, Böhlau, Wien 2021 EUR 47,00