Exil im Krähennest
1951 wurde der Roman „Das Krähennest“ von Martina Wied erstmalig veröffentlicht. Die junge Französin Madeleine flüchtet ins Exil an ein Internat, wo sie von nun an als Sprachenlehrerin arbeitet. Mit ihren Gedanken und auch ihrem Herzen bleibt sie jedoch weiterhin in ihrer Heimatstadt Paris und bei ihrem ehemaligen Partner Ernest, welcher seit der Besetzung Paris‘ mit den Nazis kollaboriert. Auch mit einigen Bekannten, welche eine Emigrantenzeitung in der Schweiz herausgeben, ist sie im regen Briefkontakt und erfährt so mehr über die Zustände in Paris. Doch auch im Internat „Krähennest“ ist nicht alles so friedlich wie man meinen mag, von Liebesdramen und Eifersucht über Wahnsinn und Verrat bis hin zur großen Katastrophe spitzen sich die Ereignisse mehr und mehr zu. Martina Wied beschreibt in dem Roman eine Geschichte voller Spannung und die Ereignisse, welche sich weltweit abspielen und sich im Kleinen auch im Internat widerspiegeln. Gleichzeitig spürt man den Zwiespalt von Madeleine, welche einerseits immer noch an ihrem ehemaligen Partner hängt, ihn aber auch für seine Sinneswandlung und Kollaboration mit den Nazis verabscheut. Trotz der inhaltlich spannenden und interessanten Erzählung wird die Möglichkeit des Mitfühlens und Mitlebens vor allem durch die häufigen Perspektiven-, Zeit- und Ortswechsel zwischen Paris, dem Krähennest, Briefen aus der Schweiz und Erinnerungen an die Vergangenheit sehr eingeschränkt.
Luzia Neufang
Martina Wied: Das Krähennest. Hg. von Evelyne Polt-Heinzl, 480 Seiten, Edition Atelier, Wien 2021, EUR 28,00