Fluchterfahrungen

35 Schicksale von Geflüchteten werden im ersten Band aus der Perspektive der Betroffenen von der Flüchtlingsbetreuerin Lenore Lobeck und der Afrodeutschen Ishema Kame dokumentiert. Dazu ist zumeist ein Foto der jeweiligen Person abgebildet. Sechs dieser Schicksale sind aus weiblicher Perspektive. Die Flucht der Frauen ist oftmals eng damit verknüpft, dass sie sich gegen patriarchale Verhältnisse aufgelehnt haben, indem sie sich einer Zwangsheirat verwehrt haben. Menschen fliehen vor Gewaltverhältnissen, Krieg, Unterdrückung, Verfolgung oder Naturkatasrophen. Den Herausgeberinnen aus Schwarzenberg ist es wichtig, anhand der dokumentierten Schicksale festzuhalten, dass Flucht kein freiwilliger Akt ist, sondern für die Betroffenen überlebensnotwendig ist und gleichzeitig für diese die Tragik in sich birgt, dass sie ihre Freund:innen und Familie oft nicht wiedersehen oder nur aus der Ferne mit ihnen Kontakt halten können. Neben den konkreten angeführten Portraits werden abstrakt im ersten und zweiten Band Fluchtrouten aufgezeigt und verschiedenste Grafiken und interessante Statistiken z.B. über die Aufnahme von Flüchtlingen in der EU und in den verschiedenen deutschen Bundesländern präsentiert. Es folgen Coverentwürfe, die von den Geflüchteten selbst kreativ zum Titel gestaltet wurden. Ein Glossar über allgemeine Infos der Herkunftsländer der Geflüchteten sowie ein Begleittext über Flucht im Laufe der Geschichte und über den komplexen, bürokratischen Ablauf, was von der Ankunft bis zum Ende eines Asylverfahrens passiert, runden das Werk ab. Das wirkungsvolle Buchprojekt diente zur Unterstützung einer Ausstellung, um Vorurteile gegenüber Asylwerber:innen konstruktiv zu behandeln und liefert Argumente dafür, dass für uns alle Integration ein wichtiges kollektives Anliegen ist. Bravo!
ML
Es ist nicht leise in meinem Kopf. Hg. von Lenore Lobeck und Ishema Kame. 2 Bände insgesamt 346 Seiten, fabrik transit, Wien 2023 EUR 22,00