(K)eine Insel

Ein Mädchen auf der kleinen Insel Pate vor Kenia wählt sich einen Vater. Ihre Mutter, Tochter einer wohlhabenden Familie, ist mit einem ledigen Kind von ihrem Studienaufenthalt in der Hauptstadt zurückgekehrt. Von der Dorfgemeinschaft verachtet, züchtet sie Blumen und Kräuter, um mit Schönheitsbehandlungen sich und ihre Tochter zu ernähren. Die mehrfach preisgekrönte Autorin Yvonne Adhiambo Owuor schildert in ihrem zweiten Roman den Werdegang eines außergewöhnlichen Mädchens, das als junge Frau von Nachkommen chinesischer Seeleute aus dem 15. Jahrhundert nach China eingeladen wird und schließlich Nautik studiert. Ganz nebenbei erfährt die Leserin von den Folgen des europäischen, US-amerikanischen, (saudi)arabischen und chinesischen Zugriffs auf Afrika: sei es die Errichtung salziger Trinkwasserbrunnen, der Bau überdimensionaler, klobiger Straßen und Häfen und damit einhergehende Umsiedlungen, die Minimierung des Fischbestandes, islamistische Indoktrination oder Repression gegen vermeintliche Fundamentalist*innen. Beherzt stellt die Schriftstellerin dem unter dem Zeichen des Fortschritts durchgesetzten Wahnsinn einen behutsamen Umgang mit der vorgefundenen Natur gegenüber. Ein spannendes, lesenswertes Buch.

Sena Doğan

Yvonne Adhiambo Owuor: Das Meer der Libellen. Aus dem afrik. Engl. von Simone Jakob. 608 Seiten. DuMont Buchverlag, 2020 Köln EUR 24,70