Liebe zu dritt

Wenn man einander nahe genug steht, ist es egal, was andere denken. Die ungewöhnliche Konstellation, in der die gefeierte Opernsängerin Pauline Viardot ihr Leben mit zwei Männern gestaltet hat, gab häufig Anlass zu Spekulationen. War es eine mit allen abgestimmte Ménage à trois? Wie gingen die drei Menschen mit wechselseitigen Besitzansprüchen um? In ihrem Porträt einer ungewöhnlichen Dreierbeziehung gehen Ursula Keller und Natalja Sharandak den Lebenswegen der Primadonna und Komponistin Pauline Viardot, ihres Ehemanns und des erfolgreichen Schriftstellers Iwan Turgenjew nach. Das Buch zeichnet einen genauen Hintergrund der persönlichen wie auch gesellschaftlichen Situation. Unglaublich mutet etwa an, dass Pauline Viardot beim Trauergottesdienst für Chopin in der Kirche hinter einem Samtvorhang singen musste, weil das „Weib“ in der Kirche zu schweigen hatte. Auch die gesellschaftlichen Restriktionen nach dem Putsch Napoleons sind Thema, und die Jagd auf KritikerInnen des neuen Regimes, zu denen die Schriftstellerin George Sand gehörte, ebenso wie Viardots Ehemann Louis, weswegen Paulines Vertrag mit der Opéra gekündigt wird und sie ihrer Profession nicht mehr nachgehen kann. Die ProtagonistInnen im Buch stammen aus dem Who is Who aus Literatur und Musik des 19. Jahrhunderts. Kurzweilig und spannend geschrieben, mit umfangreichen Literaturverweisen und Bibliographie gibt das Buch Einblicke in Beziehungen und Lebenswelten jenseits von Dogmatismus und Klischee.

Susa

Ursula Keller und Natalja Sharandak: Iwan Turgenjew und Pauline Viardot: Eine ungewöhnliche Liebe. 278 Seiten, Insel Verlag, Berlin 2018 EUR 25,70