Nachdenken – beraten – Welt verändern
Freiheit ist ein großes Wort, eine umfassende Idee und ein zentrales Ziel für politisches Handeln. Und Freiheit ist auch nach Jahrzehnten verschiedenster Feminismen ein Referenzort – als Utopie, als vorhandene oder abwesende Bedingung, als selbst zu definierende Perspektive. Der Wiener Verein „Frauen* beraten Frauen*“ hat sich zum 40jährigen Bestehen einen umfassenden Band zu diesem Thema geschenkt, geordnet nach philosophischem, feministisch-historischem, politischem, beraterischem, therapeutischem, literarischem Blick und dem Außenblick. 35 Beiträgerinnen reflektieren, was es nach vier Jahrzehnten bzw. heute (noch) heißen kann, Frauen* zu beraten, sie zu begleiten aus der Selbstverachtung, aus dem Wunsch der Selbstoptimierung hin zu dem, was sie handlungsfähig macht, was ihnen hilft, was möglich ist. Klar wiederholt wird der Standpunkt, als beraterische oder therapeutische Einrichtung nicht zur „Reparaturwerkstatt und Instrument der Krisenentschärfung“ zu werden oder als solche vereinnahmt zu werden. Manche Texte sind grundsätzlich, komplex und anspruchsvoll, andere sind persönlich oder schlagen den Ton einer Festschrift an, weiters finden sich imaginative und geführte Interviews, Fotografien und literarische Ausführungen über Freuden und Tücken des Frauen*lebens. Diese durchaus auch herausfordernde Heterogenität lässt mitunter den Zusammenhang verlieren und ist zugleich ein gelungenes Sinnbild für die der gefeierten Institution inhärente Widerspenstigkeit, zu der ihr unter sich wandelnden widrigen Gesellschaftsbedingungen zu gratulieren sei.
Meike Lauggas
Freiheit und Feminismen. Feministische Beratung und Psychotherapie. Hg. von Frauen* beraten Frauen*. 382 Seiten, Psychosozial-Verlag, Gießen 2020, EUR 41,10