Riskantes Unterfangen
Der in den USA angesehene Ornithologe Juri kehrt nach einigen Jahrzehnten nach Murmansk am nördlichen Polarkreis zurück, nachdem sein verhasster Vater Rubin mit Leberkrebs im Sterben liegt. Es ist für ihn eine Reise in die Vergangenheit, die für ihn viel Unangenehmes hervorbringt. Juris Vater gibt ihm den Auftrag aufzuklären, was mit seiner Großmutter Klara passiert ist. Als Rubin vier Jahre alt war, wurde sie vom sowjetischen Geheimdienst wegen angeblicher Spionagedienste in ein Lager entführt. Klara ist nie zu ihrer Familie zurückgekehrt. Sowohl Juri als auch sein Vater haben in jungen Jahren Schuld auf sich geladen, die noch immer in den beiden eine verstörende Wirkung auslöst und von beiden nie verarbeitet wurde. Der Generationenroman verfolgt drei unterschiedliche Charaktere, indem er neben den unwirtlichen rauen Lebensbedingungen auf hoher See beim Fischfang und im Gulag beschreibt, woraus menschliche Widerstandskraft besteht. Eine ausgesprochene Naturverbundenheit ist sowohl für Klara als auch für Juri Balsam, um überlebensfähig zu bleiben. Rubin hingegen wird Kapitän, ohne wirklich positive Gefühle für seine Mitmenschen und Umwelt zu entwickeln. Zuweilen klischeehaft, wenn es um die „russische Seele“ geht, aber dennoch interessant, was Familie ist und was sie nicht sein sollte. Der Roman überzeugt in seinen Naturbeschreibungen.
ML
Isabelle Autissier: Klara vergessen. Aus dem Franz. von Kirsten Gleinig. 304 Seiten, Mare Verlag, Hamburg 2020 EUR 24,70