Spannungsfeld der Zweigeschlechtlichkeit
Der hier besprochene Band versammelt insgesamt 29 vielfältige und kontroverse Beiträge zur psychoanalytischen Auseinandersetzung u.a. mit Geschlechtlichkeit, Geschlechtsidentität, mit Mutter- und Vaterpositionen.
Der titelgebende Begriff „Geschlechterspannung“ wurde von Reimut Reiche geprägt, der darunter einerseits die soziale Erscheinungsform des biologischen Geschlechts versteht, andererseits aber auch eine Spannung im Individuum selbst, die ausgehend von der psychischen Bisexualität des Menschen zu denken ist. In diesem Zusammenhang ist der thematische Schwerpunkt des Buches nachvollziehbar, der vor allem das Verhältnis von Frau und Mann in den Blick nimmt, wodurch eine psychoanalytisch eher „klassische“, geschlechterbinäre, oft auch heteronormative Sichtweise in vielen Beiträgen präsent ist.
Der Band enthält aber auch andere, offenere Beiträge in der psychoanalytischen Auseinandersetzung mit Geschlechterfragen. Exemplarisch kann hier etwa auf Ilka Quindeaus Text „Geschlechterspannung revisited“ verwiesen werden sowie auf die Texte von Elisabeth Imhorst und Lily Gratikov zu Geschlechtsidentität, Helga Krüger-Kirns Text zu (un)erfüllten Emanzipationssehnsüchten oder Hans-Jürgen Wirths Auseinandersetzung mit Männlichkeit und Macht.
Esther Hutfless
Geschlechter-Spannungen. Hg. von Ingrid Moeslin-Teising, Georg Schäfer und Rupert Martin. 438 Seiten, Psychosozial-Verlag, Gießen 2020 EUR 46,20