Verletzte Seelen
Der letzte Band der Werksausgabe der 1973 verstorbenen Kärntner Dichterin Christine Lavant versammelt Erzählungen, autobiografische Texte und Interviews für verschiedene in- und ausländische Radiosender. Schauplätze der Erzählungen sind das Dorf, die Welt der DienstbotInnen und BäuerInnen. Das Leben ist hart, Aberglaube und Armut prägen die Menschen, aber Lavant verfällt nie in einen plumpen, sozial anklägerischen Pessimismus. Neben psychischer und materieller Not gibt es Schilderungen von humorvollen Momenten und gütigen, hilfsbereiten Menschen. Die Sprachgewalt und der Ideenreichtum dieser Texte sind beeindruckend. In den „Aufzeichnungen aus dem Irrenhaus“ beschreibt Lavant detailreich und ironisch ihre Erfahrungen in der psychiatrischen Einrichtung, in die sie sich nach einem Selbstmordversuch freiwillig für mehrere Wochen begab. Auch hier wird das ganze Spektrum menschlicher Beziehungen und Verhaltensweisen sichtbar, von Gleichgültigkeit und mitunter Bösartigkeit des Personals bis zu echter Anteilnahme an dieser ungewöhnlichen Patientin. In den Radiointerviews gibt sie Auskunft über ihr Schreiben und ihre schriftstellerische Karriere. Das sorgfältig edierte Buch enthält einen ausführlichen Anmerkungsapparat nebst Glossar der dialektalen Ausdrücke und ein Nachwort von Klaus Amann.
Sabine Reifenauer Christine Lavant: Erzählungen aus dem Nachlass. Mit ausgewählten autobiographischen Dokumenten. Bd. 4. Hg. von Klaus Amann und Brigitte Strasser. 828 Seiten, Wallstein, Göttingen 2018 EUR 39,90